Droht uns in Lindau der Rothenburg Mief?

Ist Rothenburg ob der Tauber ein mittelalterliches Disneyland? Und wie hängt das mit Lindau und den Großbauprojekten zusammen?
Dieser Frage ist Dr. Maximilien Schuff direkt nachgegangen!

Gesendet: Sonntag, 05. Dezember 2021 um 17:48 Uhr
Von: "Naser, Markus; Dr." <markus.naser@rothenburg.de>
An: "'Maximilian Schuff'" <schuffmaximilian@web.de>
Betreff: AW: Lebensqualität Rothenburg ob der Tauber

Sehr geehrter Herr Dr. Schuff,
vielen Dank für Ihre Nachricht und die Weiterleitung der Lindauer Meinungen mit Rothenburg-Bezug. Ich kann Sie beruhigen: Von Mittelalter-Mief ist unserer schönen Stadt nichts zu spüren. Die Nachfrage nach Wohnungen in der Altstadt ist so hoch, dass die allermeisten Wohnungen unter der Hand vergeben werden und es gar nicht auf den normalen Wohnungsmarkt schaffen. Wir haben das Glück, dass die meisten historischen Häuser in Rothenburg über ausreichend hohe Decken verfügen, sodass man auch mit modernen Ansprüchen gut darin leben kann. Ausnahmen bestätigen die Regel. Es gibt auch ein paar Häuser, in denen die Deckenhöhe nur 1,8 Meter beträgt. Diese Häuser sind in der Tat schwieriger an den Mann zu bringen und bereiten uns bisweilen Sorgen. Das sind aber, wie gesagt, Ausnahmen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, Klimaanlagen so einzubauen, dass sie von öffentlicher Verkehrsfläche nicht einsehbar sind. Das gelingt in den meisten Fällen, aber leider nicht immer. Dann ist der Einbau einer Klimaanlage nicht möglich. Das schreckt manche Interessenten ab, anderen ist es ziemlich egal. In den kommenden Jahren werden alle Häuser in der Altstadt (und darüber hinaus) mit einer Glasfaserleitung bis ins Haus (FTTH) versorgt. Eine entsprechende Vereinbarung mit der Deutschen Telekom ist bereits getroffen. Sie sehen: Rothenburg ist zwar mittelalterlich, aber keineswegs "miefig".
Noch eine Bemerkung zum Thema Landschaftsgarten: Wir bespielen dieses Thema im Rahmen unseres Marketings sehr offensiv, allerdings steht dahinter nicht die Neuanlage eines entsprechenden Areals, sondern die Vermarktung bereits bestehender Grünflächen. Das Gelände unserer ehemaligen Burg ist schon seit Jahrhunderten eine wunderbar angelegte Parkanlage und direkt im Westen und Süden an die Stadt anschließend befindet sich die Kulturlandschaft Taubertal mit Weinbergen, Mühlen, der Tauber und ihren Mühlbachen etc. Die Einbindung der Stadt in die sie umgebende Natur ist geradezu phänomenal. Im Norden und Osten der Altstadt gibt es zwar weniger Grün, aber auch hier ist der ehemalige und teils noch existente Bereich unseres Stadtgrabens mit viel Grün und etlichen Spielplätzen durchsäumt.
Warum Rothenburg dennoch gerne als Disneyland und/oder rückständig bezeichnet wird: Oft ist hier Neid im Spiel. Unsere Stadt hat so viele Besucher und erfreut sich einer so großen internationalen Beliebtheit, dass man besonders in intellektuellen Kreisen etwas zum Herummäkeln sucht. Man glaubt dann, es in der teilweisen Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg zu entdecken (40 Prozent der Altstadt waren zerstört), vergisst aber, dass die Zerstörung den historisch wenig bedeutenden Ostteil der Altstadt betroffen hat, nicht aber die Kirchen, die Herrngasse, die Schmiedgasse, das Plönlein, das Spitalviertel etc. Trotz der Kriegszerstörungen verfügt Rothenburg dadurch heute über mehr als 630 Einzeldenkmäler. Das sind mehr Einzeldenkmäler, als es z.B. in Dinkelsbühl gibt.
Was den Vergleich mit Disneyland angeht: Tatsächlich wurde der German Pavilion im Epcot Center in Disneyworld, Florida, von Rothenburger Gebäuden inspiriert. Disneyland hat also durchaus etwas von Rothenburg, aber das macht Rothenburg nicht zu einem Disneyland. Mal ganz abgesehen davon, dass mir die hiesige Geringschätzung für die verschiedenen Disneylands nie ganz begreiflich sein wird. Ein Erfolgsmodell, das jedes Jahr Millionen von Touristen anzieht, kann man natürlich mit Verachtung strafen, aber schlauer wäre die Frage nach dem Grund für den dahinterstehenden Erfolg zu stellen und den Versuch zu wagen, ähnlich erfolgreich zu sein.
Sei es, wie es wolle: In der letzten Umfrage der Deutschen Zentrale für Tourismus landete Rothenburg auf Platz 5 der 100 beliebtesten Sehenswürdigkeiten in ganz Deutschland. Rothenburg war damit die bestplatzierte Stadt, was den Bayerischen Rundfunk dazu veranlasste, die Rothenburger Altstadt als die schönste Deutschlands zu bezeichnen. Vgl. https://www.br.de/nachrichten/bayern/tourismuszentrale-rothenburg-hat-schoenste-altstadt-deutschlands,SlnY46k
Wir Rothenburger sind stolz auf unsere Altstadt. Dass nicht jeder Rothenburger in einem mittelalterlichen Haus wohnen möchte, tut dem keinen Abbruch. Innerhalb der Altstadt gäbe es auch gar nicht genug Wohnraum für alle Rothenburger. Von den 11.000 Einwohnern unserer Stadt leben nur etwas über 2.000 in der Altstadt. Und für viel mehr wäre auch gar kein Platz. Insofern ist es ganz gut, dass nicht alle innerhalb der Stadtmauer wohnen möchten. Sanierte Altstadtwohnungen sind ohnehin bereits heißbegehrt. Bei noch mehr Nachfrage würden nur die Preise durch die Decke gehen. Darauf können wir ganz gut verzichten.
Mit den besten Grüßen und Wünschen
Markus Naser

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Große Kreisstadt Rothenburg ob der Tauber
Oberbürgermeister Dr. Markus Naser
Marktplatz 1
91541 Rothenburg ob der Tauber
Tel. 09861/404-100
markus.naser@rothenburg.de
www.rothenburg.de
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Maximilian Schuff <schuffmaximilian@web.de>
Gesendet: Donnerstag, 2. Dezember 2021 22:09
An: Stadt Rothenburg ob der Tauber <stadt@rothenburg.de>
Betreff: Lebensqualität Rothenburg ob der Tauber

Sehr geehrter Herr Dr. Naser,
Eigentlich bin ich immer davon ausgegangen, dass es sicher ein Privileg ist, in einer Stadt wie Rothenburg ob der Tauber das Amt eines Oberbürgermeisters innezuhaben.
Auch habe ich des öfteren Rothenburg besucht und war gerne Gast in dieser Stadt.
Nun musste ich doch erfahren, dass Rothenburg ein mittelalterliches Disneyland ist, dass in seinem Mief zu ersticken droht – zumindest, wenn man einigen (ehem.) Stadtratsmitgliedern und dem derzeitigen Pressesprecher der Stadt Lindau glauben darf (siehe Bürgerzeitung der Stadt Lindau, 2018; siehe Lindauer Zeitung 01.12.2021). In Lindau werden Großprojekte gerne mit einem abschreckenden Verweis auf Rothenburg durchgeboxt. Daher meine Frage an Sie als OB und insbesondere als promovierter Landeshistoriker, wie stark ist der Mief in Rothenburg? Ist die Lebensqualität tatsächlich so schlecht in Rothenburg?
Um eine kurze Rückmeldung wäre ich sehr dankbar ;-)
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Maximilian Schuff

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